Nach unzähligen wunderschönen Tauchgängen auf Curacao entdecke ich dieses Mal etwas Seltsames. Viele Korallen weisen auffällige weisse Flecken auf. Das letzte Mal war ich vor ca. einem Jahr hier und das gab es damals nicht. Okay, dazwischen war ich in Ägypten und habe auch viele gebleichte Korallen aufgrund der zu hohen Wassertemperaturen gesehen. Aber das Krankheitsbild sieht komplett anders aus. Kreisrunde Bereiche wo scheinbar einfach die Farbe weg ist findet man immer wieder.
Der Tauchplatz war Kokomo Beach und so spreche ich das gleich bei der nächsten Gelegenheit an der Tauchbasis an. Ist hier das Wasser auch um soviel wärmer geworden? Nein, daran liegt es nicht, erklären mir Lea und Marcel von Central Dive Curacao. Es handelt sich hierbei um eine "neue" Krankheit, welche 2014 in Florida entdeckt wurde und die sich in den letzten 12 Monaten nach dem sie durch die ganze Karibik gereist ist, auch in Bonaire und Curacao eingeschlichen hat. Fasziniert höre ich mir an wie schnell sich diese - für Korallen binnen Tagen oder Wochen tödliche - Krankheit verbreitet. Da muss man doch irgendwie irgendetwas dagegen tun, denke ich mir und wie aus der Pistole geschossen erzählt mir Lea dass es tatsächlich Hilfe gibt. Aufwändig, teuer, noch nicht vollständig erforscht - aber Hilfe. Und schon am Sonntag steigt die nächste "Behandlung", da bin ich natürlich dabei. Und davon erzähle ich Dir jetzt ganz ausführlich. Vorher noch hier der Link zu einem Wikipedia Eintrag, falls Du Dir vorweg ein paar zusätzliche bereits bekannte Informationen holen magst:
Sonntag
Wir treffen uns frühmorgens auf der Tauchbasis um die "medizinische Versorgung" der Korallen in Angriff zu nehmen. Als erstes geht es mal an die Abmischung des "Medikamentes". Dazu benötigt man eine Art "Klebemasse" und das Medikament an sich. Es gibt noch relativ wenige Langzeitinformationen, daher muss die Zubereitung auf das Gramm genau erfolgen. Mit einer Waage wird der Trägerstoff und das Medikament genau gemessen und dann in einem Behälter abgemischt.
Damit sich das auch gut vermischt ist die Pulverisierung des Wirkstoffes von großer Bedeutung. Falls Du Dich wunderst, warum Du am Foto Speiseöl siehst: Das ist das einzige Mittel, mit dem man die klebrige Masse von der Haut bekommt. Es wäre auch unsinnig, einen wasserlöslichen Kleber für Unterwasserarbeiten zu verwenden :-)
Nach gut einer halben Stunde "Umrühren" ist die Masse bereit um in die Spritzen abgefüllt zu werden. Mit diesen Spritzen schaffen wir Taucher es, ohne Verluste den Wirkstoff zu den Korallen zu transportieren. Ein kleines Video zeigt Dir ein paar Eindrücke davon:
Während ich die Masse anrühren darf, während Lea genau dosiert den Wirkstoff dazu gibt, machen wir auch ein wenig "Theorie". Was sind die Hintergründe, warum wird vermutet, dass die Krankheitserreger eventuell über Kreuzfahrtschiffe verbreitet werden und wie stehen die Chancen, dass die Korallen sich mit der Hilfe engagierter Taucher vielleicht erholen können. Dabei gibt es ganz viele Fragezeichen aber was völlig klar ist: wir können nicht die Welt retten. Mir ist das egal, ein kleiner Beitrag ist besser als keiner. Und es gibt Erfolge. Also weiter mit den cool vorbereiteten Powerpoints. Wie erkennt man die Krankheit, auf was achten wir beim Tauchgang und vor allem: welche Koralle "verdient" es, gerettet zu werden. So traurig es ist, man kann nicht allen helfen und ich lerne, dass große Korallen mit kleinem Befall eher eine Chance haben durchzukommen als kleine Korallen, welche schon großflächig betroffen sind. Wir hoffen auch, dass die Behandlung die Koralle dabei unterstützt, selbst einen Abwehrmechanismus zu entwickeln.
So, die Masse ist fertig gerührt und in Spritzen abgefüllt, jetzt erstmal in den Kühlschrank, während wir unser Tauchequipment fertig machen.
Bevor es nun losgeht zur "Snake Bay", unserer heutigen Mission, ist der Weg zum "pressure relief" also zur Toilette, mehr als empfohlen. Der Tauchgang wird sehr lange dauern. Wir holen die Spritzen aus dem Kühlschrank, packen sie mit Karabinern gesichert in kleine Taschen und machen uns auf den Weg zum Tauchplatz. Ab jetzt gilt: "Trödeln verboten", die Hitze und die Sonne sind nicht gut für den Wirkstoff, also sind wir schon wenige Minuten später unter Wasser. Wie vorher gelernt, erkennen wir gleich wo die Krankheit begonnen hat und wo es auch noch vielleicht eine Chance gibt zu helfen. So sieht das aus:
Heute stehen die eher flachen Korallen auf der Todo-Liste und wie so oft weiß das der starke Ostwind nicht. Kräftige Dünung verlangt uns die beste Tarierung und so manche Positionierungstricks ab. Wir identifizieren die Koralle die wir behandeln wollen, versuchen die Dünung so gut wie möglich zu nutzen und versorgen die verletzten Stellen. Hier habe ich Dir einen kleinen Eindruck davon mitgebracht, ein Fun-Dive sieht anders aus :-)
Nach mehr als 80 Minuten haben wir alle Spritzen verbraucht und es geschafft, 14 Korallen zu versorgen. Es gibt noch so viele mehr, und die Zeit läuft. Die Freude über die große Anzahl die vielleicht heute eine Überlebenschance bekommen hat wird ein wenig getrübt durch die Gedanken an die unzähligen nicht behandelten Tierchen. Deswegen möchte ich Dich auch einladen, egal wo Du in betroffenen Gebieten Urlaub machst, erkundige Dich ob es vielleicht für den einen oder anderen Tauchgang die Möglichkeit gibt zu helfen. Hier auf Curacao kann ich Dir gerne den Kontakt zu den Leuten herstellen, die hier aktiv mithelfen, bist Du in anderen karibischen Regionen, dann frag einfach nach.
Dokumentation
Ganz wichtig an der Sache ist es auch zu dokumentieren was man gemacht hat und wie die Ergebnisse aussehen. Mit Fotos, Zeichnungen und Tabellen hilft jeder einzelne Tauchgang dabei, für die Wissenschaft wichtige Erkenntnisse zu erlangen und "inshallah" (wie die Ägypter sagen) ein komplettes Sterben von vielen Hartkorallenarten zu verhindern.
Es ist ein gutes Gefühl nach diesem Tag, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben. Denn wie so oft, vermuten wir, dass die Ursache oder zumindest die Verbreitung doch sehr "hausgemacht" ist.
Du urlaubst auf Curacao und hättest Lust einmal dabei zu sein? Dann wende Dich gerne an unser Team vom Tauchshop Klagenfurt oder die Freunde vor Ort von Central Dive Curacao!
Danke fürs Lesen! Wolfgang
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